Saubermachen in Wandersachen - zwischen Waldidyll und Fastfoodmüll

 

“Saubermachen in Wandersachen – Zwischen Waldidyll und Fastfoodmüll”.

Organisiert ist diese Wanderung von der Biosphären VHS St. Ingbert, Klima Fit St. Ingbert und Cleanup.Saarland. Sie ist Teil des Nachhaltigkeitsprogramms der VHS.

10. Mai 2025; 14:00 - 17:00 Uhr. Strecke: 4,9 km (https://www.outdooractive.com/de/route/wanderung/saarpfalz-kreis/zwischen-waldidyll-und-fastfoodmuell/254295046/)


Bild: bei herrlichem Wetter ist unsere "Touristengruppe" unterwegs und sammelt Müll in der Biosphäre. 

 

Hier ein paar Gedanken zu dieser Müllwanderung

Vor einiger Zeit hatte sich mal jemand aus Neunkirchen darüber beklagt, dass Berlin so verdreckt sei. Ich meinte daraufhin, dass Neunkirchen aber doch viel dreckiger sei und die Person meinte nur, dass das ja etwas ganz anderes sei, weil er in Neunkirchen auch nicht seinen Urlaub verbringe. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht und daher kam mir der Gedanke, ob wir nicht unsere Heimat mit den Augen eines Touristen sehen sollten.

Als Innovations-Coach ist es oft meine Aufgabe, genau auf solche Aspekte aufmerksam zu machen. Es macht einen Unterschied, ob man Barrierefreiheit auf dem Papier entwickelt, oder ob man sich in die Situation eines Rollstuhlfahrers, oder Blinden begibt. Daher ist es auch etwas schade, dass kein Vertreter der Gemeinde hier sein kann, denn wir wollen St. Ingbert heute mit anderen Augen betrachten und schauen, ob man Dinge daher auch nicht anders bewerten sollte.




Bild: Infostelle der Biosphäre Bliesgau in Blieskastel

Zunächst die Frage, warum ein Tourist ins Saarland – bzw. Hier nach St. Ingbert kommten sollte.

Sehr viele Attraktionen fallen einem da nicht ein, aber dann stellen wir uns vor, dass der Tourist erfahren hat, dass das Biosphärenreservat Bliesgau „die Nachhaltiges Touristenregion Deutschlands“ ist.

Die Biosphäre Bliesgau ist Sieger in der Kategorie "Fortgeschrittene" im Bundeswettbewerb Nachhaltige Tourismusdestinationen 2022/2023 und konnte sich damit gegen die Sächsische Schweiz (2. Platz) und das Allgäu (3. Platz) durchsetzen. 

Die Wahl ist das Resultat einer Auswertung aus 40 Nachhaltigkeitskriterien in den Bereichen „Strategie & Planung“, „Klimaschutz & Mobilität“ sowie „Kultur & Identität“.

In den letzten Tagen hatte ich mir tatsächlich vorgenommen, die Region mit den Augen eines Touristen zu betrachten, der an vorbildlichen nachhaltigen Lösungen interessiert ist. So habe ich das Infozentrum der Biosphäre besucht und die virtuellen Lauschtouren in Blieskastel, St. Ingbert und Reinheim gemacht. Heute aber wieder zurück in die Wanderschuhe unseres Touristen.

Bei der Anfahrt hatte ich also die Wahl, mich über eine Mitfahrzentrale an einen Autofahrer dranzuhängen, oder aber den Zug zu nutzen. “Biosphärenbahnhof St. Ingbert” das klingt wahnsinnig spannend und ich dachte mir, dass es da doch bestimmt besonders nachhaltige Dinge oder Serviceleistungen gibt.

Es war aber dann doch nur ein relativ verdreckter Bahnhof, ohne irgendwelche nachhaltigen Serviceleistungen und mit unzureichender Barrierefreiheit, etc.

Bild: Biosphärenbahnhof St. Ingbert

Nun ist die Region aber auch nicht für die Bahnhöfe beliebt, sondern weil man nachhaltig aktiv sein kann. Tatsächlich gibt es hier den Hüttenwanderweg und der ist als Primiumwanderweg klassifiziert. Es erwartet uns also eine tolle Wanderung mit einigen Wanderhütten, die bei dem herrlichen Wetter zum Einkehren einladen. Als Tourist hätte ich jetzt natürlich geschaut, wie ich nachhaltig vom Bahnhof zum Startpunkt kommen könnte. Zu Fuß brauch man da laut Google 45 Minuten. Mit dem ÖPNV braucht man dagegen 45 Minuten (und geht nur unwesentlich weniger).

Als vorbildlicher Tourist will ich natürlich den Müll aufheben, den ich bei meiner Wanderung sehe und so gehen wir jetzt auch los. Eine kleine ernüchternde Erkenntnis ist jetzt noch, dass alle Hütten auf dem Premiumweg heute nicht bewirtschaftet werden. Schön, dass da eine Gruppe von KlimaFit und Cleanup.Saarland dabei ist, die über Nachhaltigkeit informieren können.

1.     Station

Als Tourist mache ich mir vielleicht Gedanken, wie gut eine Gemeinde in Sachen Klimafolgenanpassung ist. Darunter fällt auch der Umbau der Wälder mit Baumarten, die weniger anfällig sind und auch längere Trockenphasen überstehen können. Auch die Gestaltungsmöglichkeiten zur besseren Grundwasserneubildung sind da zu nennen. Tatsächlich kann da der Tourist vielleicht etwas mitnehmen. Der Waldanteil ist im Saarland überdurchschnittlich groß. Dabei hat St. Ingbert offiziell sogar den höchsten Waldanteil aller saarländischen Gemeinden. Die Wertschätzung ist aber vielleicht noch nicht so hoch. Insbesondere innerhalb des Siedlungsgebietes stehen vergleichsweise wenige Bäume.
Positiv und ein Markenzeichen der Biosphäre ist die Kleinteiligkeit der landwirtschaftlichen Flächen. Auch die Flächen für biologisch orientierten Anbau liegen mit 18% über dem Bundesschnitt. Es gibt auch kaum große Mastfabriken. Demgegenüber steht aber ein wenig nachhaltiges Konsumverhalten. Das Saarland hat einen hohen Fleischkonsum und 98% des Schweinefleischs kommen von außerhalb (also aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, oder anderen Regionen Deutschlands oder dem Ausland). Zur nachhaltigen Tourismusregion gehört auch das Angebot von regionalen Produkten. Die werden den Touristen auch tatsächlich angeboten, aber eigentlich müsste der Fleischkonsum im Saarland um über 95% zurück gehen, damit sich auch die gesamte Bevölkerung regional mit tierischen Produkten ernähren könnte. D. h. statt 52.000 Tonnen nur noch 2.000 Tonnen, bzw. pro Kopf 2,1 statt 55 kg.
Im Saarland haben wir eine hohe Versiegelung und eine Mischwasserkanalisation. Bei Starkregen können die Kläranlagen das Wasser nicht mehr aufnehmen und alles läuft ungeklärt in die Gewässer. Das betrifft auch die Blies, die nach einen Starkregenereignis große Mengen an Feuchtetüchern, Damenbinden und anderen Sachen mit sich führt. Cleanup.Saarland hatte hier schon häufiger Säuberungsaktionen gemacht und unglaubliche Mengen an Feuchtetüchern (und die sind aus Plastik) geborgen.

2.     Station

Das Saarland ist ein Autoland und viele Straßen zerschneiden das Saarland. Mit 655,2 Autos pro 1000 Einwohnern hat das Saarland die höchste Autodichte in Deutschland. Beim Anteil der E-Autos liegt das Saarland dagegen unter dem Bundesschnitt. Autos machen die Lebensqualität schlechter. Das bezieht sich nicht nur auf Luft und Lärm, sondern sie rauben auch den Lebensraum. Rund 9,3 Mio m² werden von Autos im Saarland besetzt. Das sind 1400 Fußballfelder, die also nur von stehenden oder fahrenden Autos im Moment belegt sind. Im Saarland hat das Auto immer Vorfahrt. Als die Deutsche Umwelthilfe höhere Parkgebühren für die Städte gefordert hat, brach sofort ein Shitstorm los. Als Tourist wundert man sich dann, dass ein so einzigartiger Platz, wie der Paradeplatz in Blieskastel als Parkplatz missbraucht wird und der ganze Ort voll mit parkenden Autos ist. Außerhalb des Saarlandes findet man eine solch rücksichtslose Vorfahrt für Autos wohl nicht. Gleichzeitig wird der Flächenverbrauch für Windkraft heftig kritisiert. Einige Bürgerinitiativen wollen den Ausbau der Windkraft im Saarland stoppen. Dabei liegt der Flächenverbrauch bezüglich des betonierten Fundaments für die 40 Windkraftanlagen im Saarland bei weniger als einem Fußballfeld.

Bild: der barocke Paradeplatz in Blieskastel könnte entweder die größte Attraktion des Ortes, oder ein Parkplatz sein.

Dieser Flächenverbrauch von Autos und Straßen macht das Saarland hässlich. Die Flächen können nicht anders – im Sinne der Menschen- genutzt werden. Das betrifft alle Gemeinden in der Biosphäre und als Tourist ist das ein Anblick, der nicht nur hässlich ist – er ist auch enttäuschend und ernüchternd.

Tourismus ist ein wichtiges Schlagwort. Da werden gerne Erfolge gefeiert. Fakt ist aber, dass das Saarland absolut und relativ sehr weit hinten liegt. Scheinbar berichten die Touristen, die das Saarland besuchten nicht so enthusiastisch über unser Bundesland und locken somit keine weiteren Touristen an. Wir von Cleanup.Saarland hätten uns sehr gewünscht, dass die Kommunen etwas gegen Müll gemacht hätten. Das Saarvenir ist eher ein Beitrag zur Vermüllung.

3.     Station

Autos und Müll – zwei, die sich mögen. Steuern heißen Steuern, weil man damit steuern kann. Man will mit Steuern einen Anreiz schaffen, damit sich die Dinge so entwickeln, wie man sie gesamtgesellschaftlich haben will. Daher habe ich nie verstanden, warum ungesundes, schnelles Essen – Fast Food - steuerlich gefördert wird. Speisen zum Mitnehmen werden mit 7% besteuert. Wer sich gemütlich auf Kosten des Gastronomen hinsetzt, der zahlt 19%. Das Unternehmen, das weniger Kosten und Aufwand hat, wird steuerlich also sogar noch gefördert. Warum will man das? Warum will man nicht, dass Menschen gemütlich sich zum Essen hinsetzen? Das ist nicht nachhaltig. „Kultur & Identität“ sind doch auch eine Rubrik in der Bewertung als nachhaltigste Touristenregion und angeblich ist „Hauptsach gudd gess“ ein Lebensmotto der Saarländer. Das entwickelt sich aber zunehmend zu einem ungesunden, rücksichtslosen Konsum und die Plastikverpackungen werden aus dem Auto geworfen – steuerlich gefördert.


Bild: So sieht es wohl an jedem P+R im Saarland aus. 

Der gesamtgesellschaftliche Schaden ist enorm. Das Café mit seinem Steuersatz von 19% räumt den Teller weg und spült Teller und Tassen. Bei Fastfood spart sich das Unternehmen die Kosten und die Gesellschaft übernimmt die Schäden.

SStation

Nun hat die neue Regierung geplant, die Gastronomie zu unterstützen. Das ist recht populär, aber auch nicht ganz billig. Foodwatch hat ausgerechnet, dass allein McDonalds davon jährlich mit einem Betrag von rund 140 Mio Euro entlastet wird. Für die gesamte Fastfood-Industrie ist das eine Entlastung von einer halben Milliarde Euro pro Jahr. Das sind alles Maßnahmen, die letztlich über Schulden finanziert werden und umgekehrt zu höheren kommunalen Kosten (also weiteren Schulden) führen.

Da wäre es doch sinnvoll, dass man zumindest etwas gegensteuert und die gesellschaftlichen Schäden abmildert. Also Förderung der Gastronomie machen, aber dann auch im Gegenzug mehr Nachhaltigkeit umsetzten. Im Saarland haben wir von Cleanup.Saarland für die Einführung einer kommunalen Einwegsteuer gekämpft nach Tübinger Vorbild gekämpft. Viele Kommunen haben auch gesagt, dass sie das machen wollten, wenn es rechtssicher ist. Das ist es jetzt – McDonalds hat gegen die Stadt Tübingen vor dem Bundesverfassungsgericht verloren – der Fall. Die 52 Kommunen im Saarland wollen aber plötzlich nichts mehr machen.

Wie kommt es zu diesem Sinneswandel? Es wäre vollkommen unfair, wenn man unterstellen würde, dass McDonalds mit der Finanzierung des Gebäudes für die Mittelstandsvereinigung der CDU, oder des CDU-Parteitages Einfluss auf die Politik ausüben würde. Einen solchen Vorwurf würde ich nie tun. Das wäre ja so, als würde man unterstellen, dass Deutschland bei der Nikotinsuchtpräventionspolitik seit zwanzig Jahren auf dem letzten Platz liegt und dass das mit den Spenden der Tabaklobby zusammenhängt. Die Parteien erklären uns immer ganz klar, dass sie nicht käuflich seien. Bleibt als Erklärung also nur Unfähigkeit.

320.000 Einwegbecher werden pro Stunde weggeworfen und das geht immer zu Lasten der Kommunen. In der nachhaltigsten Touristenregion Deutschlands tut man nichts gegen das unnachhaltigste Produkt der Welt.

Alle Kommunen im Saarland klagen über die Vermüllung und über leere Kassen und keine Kommune hat einen Plan, wie man die Klimaschutzziele umsetzen kann. Ein Baum muss aber 100 Jahre wachsen, um dann 10 Minuten als Einwegbecher zu dienen. Würde man alle Einwegbecher, die in einem Jahr in Deutschland weggeworfen werden, aufeinander stapeln, dann reicht der Stapel bis hinter den Mond (der 380.000 km entfernt ist).

Wir bleiben bei der Frage, ob Politik unfähig oder käuflich ist.

  • Die Mehrwegangebotspflicht wurde im Saarland noch nie kontrolliert
  • Keine Kommune hat eine kommunale Einwegsteuer eingeführt
  • Keine Kommune kontrolliert das EU-weite Einwegplastikverbot (das gilt seit dem 3. Juli 2021)
  • Wir haben einen sicheren Abstimmaschenbecher der Kommune schenken wollen, die in den ersten zwei Monaten des Jahres ein Bußgeld für eine weggeworfene Zigarettenkippe vergibt. Der Aschenbecher hat einen Wert von 350 Euro. Wir haben von keiner Kommune eine Antwort bekommen und werden den Abstimmaschenbecher einfach nicht los.
  • Keine Kommune hat eine Taschenaschenbecherpflicht eingeführt und überall stehen Mülleimer, die die Giftstoffe einfach so in unser Grundwasser ableiten.
  • McDonalds war bis zum Schluss des Programms Mitglied im Umweltpakt Saar – wir wissen bis heute nicht, was deren Beitrag war.
  • Keine Kommune hat (unseres Wissens nach) Gelder aus dem Einwegkunststofffondsgesetz beantragt.

Für unsere kleine Touristengruppe gibt es noch einen kleinen Trost – Muffins aus Zutaten von der Lebensmittelrettung und auch Kaffee aus der Lebensmittelrettung. 480 Liter Müll konnten auf der Strecke geborgen werden viele Glasflaschen können wieder zurück in den Stoffkreislauf überführt werden. Das ist unser Beitrag, dass ein angezählter Premiumwanderweg sein Prädikat vielleicht noch behalten kann und andere Touristen beim Besuch des Biosphärenreservates Bliesgau nicht ganz so sehr mit dem Kopf schütteln werden.

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